Eurovelo 6: von Rhône zum Rhein

In Avignon hat Christian sich mal wieder in die Hände eines Barbiers begeben, das ist jedes Mal ein Glückspiel. Schon ein paar Tage später zeigt sich leider, dass dieses Mal kaum Glück dabei war. Der Laden sah gut aus und es war am Nachmittag noch ein Termin frei, doch dann wird nur mit der Maschine gearbeitet. Der Bart sträubt sich stumpf nach einer solch lieblosen Behandlung.  Wir rollen nach Lyon, beim Einfahrt in die Stadt präsentiert sich das Wissenschaftsmuseum Musée des Confluences. Wo Rhôn und Saône sich treffen, fließen auch aktuelle Wissensströmungen zusammen. Im Stadtviertel Les-Etats-Unis besuchen wir die großen Wandmalereien der Wohnhäuser, das Havenviertel gefällt uns aber besser mit seinen knalligen Gebäuden.

Weiter, immer weiter geht es nun reichlich 300 Kilometer an der Saône entlang. Der Fahrradweg ist zum Teil sehr schön ausgebaut, am Wegesrand grüßen wir die Charolais-Rinder, die sich die Beine im Fluss kühlen. Sehr kuhles Leben haben die. An manchen Stellen fehlt der Wegeausbau noch, dafür findet sich nach holprigen Schotterstücken ein bequemes Pausenplätzchen. Sehr oft haben wir das Gefühl, auf die eine oder andere Art für manche Unannehmlichkeit Ausgleich zu finden. Vielleicht gibt es wirklich einen Reisegott? Oder lernen wir die Dinge besser wahrzunehmen und wertzuschätzen?

Auf der Straße der Grand Cru durchfahren wir zwei Tage lang das Burgund, dort, wo die teuren Weine wohnen. In weiten Terrassen stehen die Weinstöcke in Reih und Glied, die Trauben hängen schon dicht und schwer. Manche Felder sind eingemauert, halten die Mauern die Wärme besser? Kleine Schlösser und Villen mit bunten Keramikdächern stehen zwischen dem satten Grün. In der Weinhauptstadt Beaume probieren wir ein Glas vom hiesigen Tropfen, der uns ohne Abendbrot trotz seiner Leichtigkeit sofort schwer in die Beine fährt.

In Dijon erkunden wir auf den Eulenpfaden die Stadt. Langsam aber sicher nimmt die Fachwerkdichte zu. In der Umgebung finden sich noch ein paar wenige Senffelder, auch wenn der Großteil mittlerweile in Kanada angebaut wird. Waldige Wege führen uns wieder aus der Stadt und mir vor Ohren, wie nah wir Deutschland schon wieder gekommen sind, als zwischen den Bäumen eine Kapelle „Ein Prosit der Gemütlichkeit“ anstimmt. Na dann mal Prost.

Wir biegen ab auf den Rhône-Rhein-Kanal. Ein Wetterumschwung steht bevor, uns wird der vorerst letzte Sommertag angekündigt. Da springt Christian zum Abschied nochmal schnell mit seiner Isomatte ins Wasser. Er findet das Loch, welches ihn allnächtlich einmal zum Nachpusten zwingt und kann es flicken. Nach meiner Felge hatte auch meine Isomatte den Dienst quittiert, nach deren Umtausch geht meine Rahmentasche kaputt. Alles hat ein Ende und hier macht sich Melancholie immer breiter, je näher wir der Grenze kommen. Aber Kälte und Freuchtigkeit zeigen uns ziemlich schnell, dass wir keine Lust auf einen zweiten Winter im Zelt haben. Als abends noch Zeit für einen Spaziergang um den See neben dem städtischen Campingplatz bleibt, entdecken wir wunderbares zwischen den Bäumen: ein Feriendorf mit Baumhäusern und Seehütten. Da hat sich jemand richtig ausgetobt und der Fantasie freien Lauf gelassen, steile Leitern und Hängebrücken führen zu Kolibrinestern und luftigen Spa-Bereichen.

Nun nützt alles Leugnen nichts mehr, das Elsass zeigt mit typisch französischen Ortsnamen wie „Wattwiller“ seine deutsche Vergangenheit, Colmar übertreibt maßlos mit seinen zuckerbunten Fachwerken, die wie eine Disneykulisse wirken und es riecht sogar schon deutsch nach Rotkohl-und-Knödelgerichten. Auf die Ohren gibts dazu Blasmusik beim Feuerwehrfest. Wir sind auf dem Heimweg ihr Lieben.

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