Das letzte Stück ist zum Genießen

Nach einer Woche Pause war es dann soweit und ich bin auf meinen letzten Abschnitt der Reise gestartet. Auf in die Heimat! Caro blieb bei ihrer Familie, also ging es für mich zu ersten Mal allein auf große Tour. Natürlich unter ganz anderen Bedingungen als für Caro ihrerzeit, ich kannte das Ziel, ich kenne jetzt diese Art des Reisens und auch der zeitliche Horizont war mit gut einer Woche sehr überschaubar. Es ging also nicht in das große Unbekannte.

Die Abfahrt hatte ich immer wieder verschoben, denn nachdem wir bis Bissendorf Glück mit dem Wetter hatten und vom Spätsommer verwöhnt waren, endete der Sonnenschein nach dem Willkommensgrillen und ein Tief mit wechselhaftem Wetter jagte das nächste. Ich nutzte die Zeit und wechselte ein letztes Mal einen Mantel am Fahrrad und verbrachte ein paar schöne Tage in Bissendorf, wollte aber doch auch langsam zu meiner Familie und Freunden, die alle schon warteten. Nach einer Woche sah die Prognose für die geplante Wegstrecke ganz annehmbar aus und ich radelte los. Am Anfang war es noch ganz einfach. Ich folgte Else, Werre und Weser. Bevor es dann mehrheitlich, das erste Mal seit Marseille „auf und nieder immer wieder“ hieß. Auch wenn keine hohen Berge dabei waren (ich kam nicht über 400 Meter über Null hinaus) summierte es sich über den Tag auf einige Höhenmeter. Leider war mir das Wetter doch nicht so hold, ich hatte ich zum ersten Mal seit Monaten wieder die volle Regenmontur an und war am Ende des Tages dennoch immer durchgeweicht. Und im Herbst trocknet alles, was einmal nass ist, auch nicht mehr so schnell. Egal der Zeitraum war absehbar und eine trockene Schicht für den Abend ist immer in der Tasche, aber da wusste ich wieder, es war vernünftig nicht noch einen zweiten Europäischen Herbst/Winter im Zelt zu verbringen.

 

Das allein Reisen war jedoch echt ungewohnt. Nicht nur, dass ich auf einmal viel mehr Platz im Zelt hatte und es mir eher wie eine Hütte vorkam. Ich merkte auch, die eingespielten Routinen klappten nicht mehr so richtig, auf einsamen Wegen fuhr ich links, damit Caro neben mich kommen kann und war immer wieder enttäuscht, dass niemand kam. Und überhaupt, wenn man quasi ein Jahr lang immer in Sichtweite zueinander war, fühlte sich alles falsch an, als würde ein Arm fehlen.

 

Dennoch versuchte ich meine letzten Tage zu genießen. Schaute mir die ein oder andere historische Stadt oder Stätte an, wie zum Beispiel Hameln, Rinteln oder das Grab der Dolmengöttin. Und konnte auch immer noch den Landschaften etwas abgewinnen. Egal ob Weserbergland, Kyffhäuser oder Harz. Während der Fahrt erinnerte ich mich an viele Episoden des letzten Jahres. Das Wetter und die langen Nächte ließen mich an Nordspanien und die Berge Portugals denken. Während die Kühe in der Weser symbolisch für all die Tierherden waren, die wir gesehen haben. Und so gab es viele kleine Dinge in der Umgebung, die die Gedanken abschweifen ließen.

 

Wie schon auf der ganzen Reise war auch dieser Abschnitt wieder von guten und schlechten Überraschungen geprägt. So löste sich durch die unzähligen Kopfsteinpflasterstraßen in Thüringen und Sachsen-Anhalt mal wieder eine Schraube von einer Gepäcktasche. Und mein Drahtesel lahmte auch nochmal an seinem Hinterlauf, wieder machte es „Peng“ und eine Speiche war gebrochen. Völlig entnervt, weil das Freihandzentrieren nicht mehr ansatzweise funktionierte, ging ich doch nochmal in einen Radladen. Der Mechaniker sah sich das Rad an und meinte nur Kopf schüttelnd: das hat sein Leben hinter sich, da wurden doch schon zu viele Speichen gewechselt (Ich glaube es waren in Summe 14, wenn ich richtig gezählt habe). Zentrieren war dankenswerter Weise kostenlos. Bis Chemnitz hat es dann gehalten und jetzt ist Zeit für Reparaturen und Teiletausch.

 

Ich habe aber auch noch zweimal Kaffee geschenkt bekommen. Einmal an der ersten Thüringer Bratwurstbude, wohl als Mitleid, weil ich mal wieder völlig durchnässt war, von einem Schauer, der schneller kam als ich die Regenkleidung anlegen konnte. Und  am letzten Morgen auf dem Campingplatz von einem lieben Nachbar, der nicht verstehen konnte wie man bei nasskaltem Wetter im Zelt schlafen kann, statt im warmen Wohnwagen. Da gab es erstmal einen Pott Kaffee, wobei es eher ein „Bottich“ war. Der letzte Tag war definitiv der mit den meisten Zwangspausen. Und dann sah ich irgendwann das höchste Bauwerk Sachsens, den rund 300 Meter hohen Schornstein, das ferne Wahrzeichen von Chemnitz. Leider erblickte ich von dem gleichen Hügel auch die dunklen Wolken hinter mir am Himmel, die kurz darauf ihre Schleusen öffneten und bis zum Ziel nicht mehr schlossen. So kam es, dass ich den letzten Abschnitt dann doch nicht mehr genießen konnte, sondern einfach nur noch ankommen wollte. Weil ich wie so oft in den Tagen von allen Seiten durchweicht wurde.

 

So, jetzt heißt es sich wieder in den Rhythmus des weniger freien Lebens eingewöhnen. Ihr werdet aber auch in Zukunft noch den ein oder anderen Beitrag von uns hören: sei es, weil wir die Statistik der Reise aufgearbeitet haben oder euch noch das eine oder andere Detail verraten wollen.

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